Hirnschäden nach Einnahme von Ecstasy
In Tierversuchen kann die Droge Ecstasy schon bei einmaligem Gebrauch bleibende Hirnschäden hervorrufen. Zu den Spätfolgen zählen auch parkinsonähnliche Symptome. Werden die heutigen Raver im Alter zu einer „Zitter“-Generation?
Ein paar bunte Pillen, in einer Partynacht eingeworfen, sind einfach hip. Sie heben die Stimmung, mindern die Distanz zu anderen Menschen und täuschen über das Schlafbedürfnis hinweg. So lassen sich Feste feiern, die durchaus mehrere Tage dauern können. Auch der Kontakt zum Traumtypen oder zur Traumfrau wird ohne Hemmungen möglich, und tanzen lässt sich in Dimensionen, für die sonst die Kondition eines Marathonläufers nach hartem Training nötig wäre.
Doch auch hier gilt offenbar das Schillerwort:
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. So harmlos, wie die Konsumenten glauben,
ist die Designerdroge Ecstasy mit dem Hauptinhaltsstoff MDMA
(3,4-Methylen-dioxy-methamphetamin) nämlich nicht. Schon länger besteht der
Verdacht, dass ihr regelmäßiger Konsum bestimmte Zellen im Gehirn abtötet und
damit den Kreislauf des Neurotransmitters Serotonin stört. Dieser Botenstoff
ist für die Steuerung unseres Gemütslebens, des Schlafrhythmus und des
Sexualtriebes zuständig.
Schon 1999 gab es außerdem einen ersten Hinweis, dass Ecstasy auch andere
Neuronen schädigen könnte. Damals sorgte ein 29-jähriger Drogenkonsument mit
parkinsonartigen Symptomen für Schlagzeilen. Die Parkinson-Erkrankung tritt
meist erst im Alter auf und ist gekennzeichnet durch Koordinationsstörungen wie
Starrheit in den Gliedern, Zittern und bis zur Unbeweglichkeit reichende
Haltungsschäden. In einem Brief an die Fachzeitschrift »New England Journal of
Medicine« vermuteten zwei der Ärzte, die den 29-Jährigen behandelten, einen
Zusammenhang mit der Einnahme von Ecstasy. Allerdings blieb bei diesem
Einzelfall unklar, welche Drogen tatsächlich konsumiert worden waren.
Auch Verunreinigungen in Rauschmitteln mit oft nur ungenau bekannter
Zusammensetzung, die auf der Straße gehandelt werden, sind nämlich toxisch.
Besonders die Substanz MPTP (1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,5,6-tetrahydroperidin),
die als hochgiftige Verunreinigung in Designerdrogen vom Pethidin-Typ vorkommt,
kann parkinsonähnliche Schäden auslösen. Sie zerstört vornehmlich Nervenzellen,
die in den Basalkernen des Großhirns für die Kontrolle von Bewegungen zuständig
sind. Im Falle des 1999 erkrankten Junkies schrieb die Mehrheit der Mediziner
deshalb die Symptome einer unbeabsichtigten Aufnahme von MPTP zu, das chemisch
nicht mit dem MDMA von Ecstasy verwandt ist.
Nun aber hat ein Team um Una McCann und George Ricaurte an der
Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (Maryland) an Pavianen und
Totenkopfäffchen gezeigt, dass MDMA tatsächlich auch Nervenzellen in den
Basalkernen des Großhirns angreift (Science,
Bd. 297, S. 2260). Die Forscher spritzten den Affen drei übliche Dosen der
Droge im Abstand von jeweils drei Stunden unter die Haut, um so eine typische
Ecstasy-Nacht zu simulieren. Einige Zeit später maßen sie die Gehirnaktivität
der Tiere.
Dabei erlebten sie eine Überraschung: Das Ecstasy hatte nicht nur
Serotonin-Neuronen geschädigt, sondern auch Nervenzellen zerstört, die Dopamin
als Neurotransmitter verwenden. Dieser Botenstoff ist an der Bewegungskontrolle
beteiligt und wird bei Parkinson-Patienten in zu geringem Maße gebildet. Zum
Entsetzen der Forscher waren die Dopamin-Neuronen in bestimmten Gehirnregionen
sogar noch viel stärker dezimiert als die Serotonin-Nervenzellen. Das galt
besonders für den so genannten Streifenkörper (Corpus striatum): ein Gebiet in der Basis jeder Großhirnhälfte,
dessen Beeinträchtigung Bewegungsstörungen in Form von Lähmungen und Zittern
hervorrufen kann. Hier waren teils mehr als 75 Prozent der Nervenzellen
zerstört. Besonders beunruhigend ist, dass die Schädigung des Dopamin-Systems
im Alter zu Symptomen führen kann, die denen der Parkinson-Krankheit
ähneln.
Wird es der Raver-Generation ähnlich ergehen? Nach den Ergebnissen der Tierversuche könnte schon eine einzige, unter starkem Ecstasy-Einfluss durchtanzte Nacht das Hirn dauerhaft schädigen. In großen, multizentrisch angelegten Studien wird nun zu prüfen sein, ob die Ergebnisse des Tierversuchs auch für den Menschen gelten. Nach medizinischen Erkenntnissen sinkt der Dopamingehalt im Gehirn unweigerlich mit dem Alter. Dann könnte eine Vorschädigung durch Ecstasy in der Jugend den Spiegel des wichtigen Botenstoffs irgendwann unter die kritische Schwelle sinken lassen.